Am nächsten Donnerstag, 6. Dezember um 19.30 Uhr zeigt die Gruppe »Filmriss« den Film »Der marktgerechte Patient« im PFL. Im Folgenden dokumentieren wir den Veranstaltungsflyer:
»Viele unserer heutigen Krankenhäuser wurden in den 1960er bis ‑90er Jahren errichtet. Ziel war es damals, dem Sozialstaatsgebot entsprechend eine hochwertige Gesundheitsversorgung in der Fläche zu gewährleisten. Dabei war es gesellschaftlicher Konsens, dass politisch Verantwortliche ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge nachkommen, dass die Kliniken eine soziale Funktion haben und nicht dem Markt unterworfen sind. Erbaut und erhalten wurden sie mit Steuergeldern. Die Behandlung der Patient*innen bezahlten die gesetzlichen Krankenkassen nach dem Prinzip der Selbstkostendeckung.
Notaufnahme Klinikum München
»Krank aus der Klinik« – so oder ähnlich lauten die Titel zahlloser alarmierender Berichte aus deutschen Krankenhäusern. Erstaunlicherweise fehlt dabei aber fast immer der Bezug auf die wesentliche Ursache dieser Zustände: die seit 2003 verbindliche Vergütung der Krankenhäuser durch sogenannte Fallpauschalen (englisch: DRGs – Diagnosis Related Groups). Nach ihr hat jede diagnostizierbare Krankheit einen prinzipiell fixen Preis. Wer mit möglichst geringen Kosten die Patient*innen schnell abfertigt, macht Gewinn; wer sich auf die Patient*innen einlässt, macht Verlust.
Die Einführung der Fallpauschalen war der entscheidende Schritt zur Kommerzialisierung der Krankenhäuser, die bis dahin vom Gedanken der Empathie und Fürsorge getragen wurden. Wirtschaftsberater durchforsten seitdem jede Abteilung und prüfen, ob Vorgänge nicht mit noch weniger Personal bewältigt werden können. Die Frage ist nicht mehr: Was brauchen die Patient*innen? Sondern: Was bringen sie uns? Viele Ärzt*innen und Pfleger*innen können in diesem System nicht mehr arbeiten, ohne selbst krank zu werden.
Leslie Franke und Herdolor Lorenz haben sich mit Mediziner*innen, Pflegepersonal und Patient*innen getroffen, mit Krankenhausmanager*innen und Gesundheitsaktivist*innen. Auf der Basis einer scharfen Ursachenanalyse liefert ihr Film Argumente für alle, die sich für eine menschenwürdige und soziale Gesundheitsversorgung für Patient*innen und Beschäftigte einsetzen wollen.
»Das Geld ist immer im Hintergrund aller Entscheidungen. Man tut etwas, um die Kosten zu reduzieren oder man tut etwas, um mehr Erlöse, mehr Einnahmen für das Krankenhaus zu generieren. Das Krankenhaus wird geführt wie eine Fabrik. Maximaler Output, minimaler Aufwand, schneller, und der Patient wird zum Werkstück, die Abläufe werden industriell strukturiert, der Patient wird vorne eingefüllt und kommt hinten raus, und zwar bitte ein bisschen schneller. Geht das nicht einen Tag schneller?« Dr. Peter Hoffman, Oberarzt für Anästhesie
Zu Gast in Oldenburg: Nicole Verlage
Nicole Verlage ist ver.di Gewerkschaftssekretärin im Fachbereich Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, zuständig für Krankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen. Seit Mitte der 90er war plötzlich von einer Kostenexplosion des Gesundheitswesens die Rede. Dabei hätte es die eigentlich nie gegeben, wendet der Chirurg und Sachbuchautor Dr. Hontschik ein. Er sieht hinter diesem Märchen die Absicht, das solidarische Gesundheitssystem zu zerstören, um daraus ein Wirtschaftssystem zu machen, welches man dem freien Markt überlassen kann. Eine Gesundheitswirtschaft, die dann besonders interessant wird für private Investor*innen. Wie sich der Staat immer mehr aus der Gesundheitsversorgung zurückzieht, sähe man schon an den gesetzlich vorgeschriebenen Länderinvestitionen für die Krankenhäuser, die kaum ein Land erfüllt.
Kostendruck, Wettbewerb, Prozessorientierung, alles Worte an die sich die Beschäftigten im Gesundheits wesen gewöhnt haben. Das derzeitige System bietet Anreize, die zu Lasten der Kranken und der Beschäftigten in dieser Branche gehen. Gespräche, Zuwendung, das was Zeit kostet und nachweislich auch zur Heilung beiträgt, kann meist nicht kostendeckend abgerechnet werden.
Wie sieht es mit der Versorgung in der Region Oldenburg aus? Wie ist die Situation am Städtischen Klinikum angesichts drohender Spardiktate? Wie sieht es für die Beschäftigten aus? Nicole Verlage gibt einen kurzen Überblick aus der Sicht der Gewerkschaft.
Film: Donnerstag, 06. Dez., 19.30 Uhr Der marktgerechte Patient D 2018, 82 Min., Regie: Leslie Franke & Herdolor Lorenz «