
Unter dem Hashtag #czarnyprotest (Protest in Schwarz) oder auch #blackprotest streiken und demonstrierten heute Hunderttausende gegen das geplante Abtreibungsverbot in Polen. Es werden heute bis zu 6 Millionen Streikende in über 60 polnischen Städten erwartet. Auch in Berlin haben sich Tausende versammelt um zu protestieren, die Namen der Befürworter_innen aus dem Parlament wurden auf großen Plakaten veröffentlicht. Die polnischen Aktivist_innen fordern Unterstützer_innen auf, Fotos von sich in schwarzer Kleidung mit den Hashtags #CzarnyProtest und #blackprotest zu posten und ihre Wut auf der ganzen Welt zu zeigen.
Eine Gruppe polnischer Aktivist_innen hat beispielsweise ein Protestlied aufgenommen:
Was ist bisher passiert?
Die Proteste sollen das geplante neue Abtreibungsgesetz, welches faktisch ein komplettes Abtreibungsverbot ist, verhindern. Die Forderung nach einen komplette Abtreibungsverbot wurde von der Bürgerinitiative »Stop Aborcji« (Stoppt Abtreibungen) initiiert und hat seitdem offizielle Unterstützung seitens der Katholischen Kirche erfahren. Der Vorschlag ist nun bereits in der ersten Lesung am 23. September mit 267 Stimmen angenommen (154 dagegen, 11 enthalten) und wurde zur Überarbeitung an einen Ausschuss weitergeleitet. Im Sejm, dem Unterhaus des polnischen Parlaments, ist mehrheitlich die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Premierministerin Beata Szydłos vertreten, welche seit 2015 mit absoluter Mehrheit in Polen regiert. Die Initiative „Ratujmy Kobiety“ (Retten wir die Frauen) hat einen Vorschlag zur Lockerung des bisherigen Abtreibungsgesetzes eingebracht, dieser wurde vom Parlament mehrheitlich abgelehnt.
Seit einigen Wochen Proteste
Die Proteste waren bereits vor der Abstimmung stark. Die Kampagne, organisiert durch die Partia Razem (Partei ›Gemeinsam‹), verbreitete sich im polnischsprachigen Internet und Menschen drückten ihre Solidarität mit polnischen Frauen aus, indem sie schwarze Kleidung trugen. Am 22. September, dem Beginns der Abstimmung, begannen auch die Proteste vor dem Parlament. »Wir brauchen Behandlung durch Ärzte, nicht durch den Vatikan« und »Wir wollen Ärzte, nicht Polizisten« fordern die Aktivist_innen. Neben der schwarzen Kleidung trugen viele Kleiderbügel bei sich, als Erinnerung an eine gefährliche Methode zur improvisierten Abtreibung.
Polen hat bereits ein enorm restriktives Abtreibungsgesetz, unter dem Abtreibung nur legal sein kann, wenn die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Person gefährdet ist, wenn die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist oder aber wenn eine schwere, irreparable Schädigung des Fötus diagnostiziert wurde. Bis jetzt können illegalisierte Abtreibungen und Hilfe dazu mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Nur 1812 Abtreibungen wurden 2014 laut polnischem Gesundheitsfonds durchgeführt. Frauenrechtler_innen gehen allerdings davon aus, dass jährlich etwa 100.000 illegalisierte Abtreibungen vorgenommen wurden – viele davon im Ausland. Gerade Personen die einen schlechten Zugang zu Strukturen und Mitteln haben um die Abtreibung z.B. sicher im Ausland durchzuführen leiden jetzt schon besonders unter dem Gesetz.
Der #CzarnyProtest fordert besseren Sexualkundeunterricht in Schulen und einfacheren Zugang zu Verhütungsmitteln, um weniger ungewollte Schwangerschaften zu haben. Daneben bleibt aber die Forderung nach der Möglichkeit, ohne Angabe von Gründen bis zur zwölften Woche abtreiben zu können und auch noch danach in den bisher legalen Fällen, zentrales Ziel der Proteste. Das Komitee »Ratujmy Kobiety« will Unterschriften für eine europäische Gesetzesinitiative sammeln, welche das Recht auf Abtreibung, sexuelle Aufklärung und Verhütungsmittel verankern soll.
Mit der jetzigen geplanten Verschärfung soll Abtreibung nur noch möglich sein, wenn sie bei akuter Lebensgefahr das Leben der Schwangeren retten kann. Es gibt allerdings keine klaren Richtlinien dafür wann dieser Fall eingetreten ist. Ärzte dürfen also auch keine lebensrettende, präventive Abtreibung unterstützen. Auch im Falle einer Schwangerschaft einer Minderjährigen aufgrund einer Vergewaltigung darf dann nicht mehr legal abgetrieben werden. Auf das Abtreiben selbst, Hilfe dazu oder Ermunterung dazu sollen dann bis zu fünf Jahre Haft stehen.
Die Abtreibungsgegner_innen folgen nicht nur sexistischen Motiven, sondern forderten auch besserer Unterstützung für Personen, die ein Kind mit einer Behinderung großziehen und eine Einschränkung der pränatalen Diagnostik (PND).
Die Forderung nach bessere Unterstützung für Menschen die ein Kind, dass aus Sicht der Gesellschaft von der Norm abweicht, großziehen ist natürlich für sich genommen nicht falsch. Jedoch sollte klar sein, dass ein Verbot von pränataler Diagnostik und Abtreibung definitiv nicht die Lösung für ein gesamtgesellschaftliches Problem sein können. Denn es muss vielmehr um die Frage gehen, warum Menschen die nicht der Norm entsprechen im Zweifelsfall als ›Last‹, weniger ›lebenswert‹ oder ›kostspielig‹ gesehen werden. Die Antwort darauf kann jedenfalls nicht sein, schwangeren Personen ihr Recht auf Selbstbestimmung über das eigene Leben und den eigenen Körper zu nehmen.