
Das Thema „Gesundheitskarte für geflüchtete Menschen“ ist bundesweit aktuell. In vielen Kommunen setzen sich z. Zt. antirassistische Gruppen, MediNetze und Politiker*innen für deren Einführung ein. Auch in Oldenburg wurde von einer breiten politischen Mehrheit (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKEN/Piraten und die FDP) am 29. Februar 2016 im Rat eine entsprechende Resolution1 verabschiedet. In dieser wird die Verwaltung u.a. aufgefordert, eine Beschlussvorlage für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Oldenburg für Flüchtlinge vorzulegen.
Worum geht es bei der Gesundheitskarte?
Die gesetzlich vorgesehene Gesundheitsversorgung ist für alle Gruppen geflüchteter Menschen im Asylbewerberleistungsgesetz festgelegt. Der Leistungsumfang umfasst die ärztliche und zahnärztliche Versorgung im Krankheitsfall (bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen), die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln, sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen. Zudem sind die amtlich empfohlenen Schutzimpfungen inbegriffen, ebenso wie alle Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt (Vgl. § 4 AsylbLG).
Gängige Praxis war bisher, dass betroffene Menschen sich von der Kommune einen Behandlungsschein holen und sich somit jeden Arztbesuch und auch den Behandlungsumfang im Vorfeld genehmigen lassen mussten. So entscheiden Menschen, die häufig keine ausreichenden medizinischen Kenntnisse haben, über die Notwendigkeit einer Behandlung, in manchen Fällen auch einfach zu spät.
Medizinische Versorgung ist aber ein Menschenrecht, d.h. allen Menschen steht die gleiche medizinische Leistung zu. Bundesärztekammerpräsident Montgomery hat es so formuliert: „Die Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetztes müssen aufgehoben werden […] Wir haben als Ärzte die Verpflichtung, alle Menschen gleich zu behandeln.“ (Bundesärztekammer 29.10.2015)
Neben der ethischen Verpflichtung zur Gleichbehandlung ist der bürokratische Aufwand für Behandlungen sehr hoch und mit erheblichen Verwaltungskosten verbunden. Daher haben die Bundesländer Bremen und Hamburg bereits seit langem das Modell der Gesundheitskarte eingeführt. Mit dieser können die Inhaber*innen direkt zur Ärztin gehen, ohne vorher einen Antrag beim Sozialamt stellen zu müssen.
Voraussetzung für die Einführung der Gesundheitskarte ist eine Vereinbarung der Kommune mit den gesetzlichen Krankenkassen. Diese erfolgt auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung zwischen den Ländern und den Krankenkassen. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben diese Rahmenvereinbarungen geschlossen und auch das Land Niedersachsen hat zum 1. April 2016 einen entsprechenden Vertrag verabschiedet.2
Wie sieht es mit der Einführung der Gesundheitskarte in Oldenburg aus?
Eigentlich dürfte der Einführung der Gesundheitskarte in Oldenburg nun nichts mehr im Wege stehen. Aber in der Sitzung des Ausschusses für Allgemeine Angelegenheiten am 11. April 2016 wurde von der Verwaltung mitgeteilt, dass sich durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte die entstehenden Verwaltungskosten für die Stadt Oldenburg erheblich erhöhen statt wie angenommen verringern würden. In den Rahmenvereinbarungen zwischen dem Land Niedersachsen und den Krankenkassen wurde nämlich vereinbart, dass für die Leistungsaufwendungen für Geflüchtete 8% Verwaltungskosten berechnet werden. Für andere Versicherte betragen diese im Durchschnitt 4%-5%. Im Ausschuss war man sich einig, dass das Land an dieser Stelle „schlecht verhandelt“ habe und auf dieser Grundlage wahrscheinlich in Oldenburg keine Gesundheitskarte eingeführt wird.
Dies ist so nicht zu akzeptieren. Denn wie heißt es am Schluss der Resolution des Stadtrates Oldenburg vom 29. Februar 2016:
„Wie das Bundesverfassungsgericht bereits beim wirtschaftlichen Existenzminimum entschieden hat, dass dies für alle Menschen gleich sein muss, so sehen wir dies auch bei der medizinischen Versorgung entsprechend.“
Die Gruppe „Gesundheitskarte für geflüchtete Menschen in Oldenburg“ bleibt am Thema dran und wird über die weitere Entwicklung informieren.